Jammen und Jammern

15.07.2005

Die Regeln des Marktes: Kritik an Anti-Kommerz-Aktivisten

Subversiv zu sein ist nicht einfach. Seit Jahren schon treten so genannte „Culture Jammer“, künstlerische Aktivisten in der Tradition der Dadaisten und Situationisten, mit spektakulären Guerilla-Methoden gegen die behauptete Allmacht der Markenwelt an. Die Idee ist, bekannte Logos künstlerisch zu verfremden und sie dann wie ein Störgeräusch („Jam“) im öffentlichen Raum zu präsentieren. Zum Beispiel als manipuliertes Werbeplakat. So wird aus „iPod“ „iRaq“ und der Apfel zur Handgranate.

Nur gilt der nonkonformistische Habitus, mit dem die „Jammer“ zum Kampf gegen Nike & Co. blasen, längst als ebenso wirksame Strategie, das bekämpfte Vermarktungssystem erst so richtig auf Touren zu bringen. „Die Kritik an der Massengesellschaft war schon immer eine der wichtigsten Triebfedern des Kapitalismus“, schreiben die beiden Autoren Joseph Heath und Andrew Potter in ihrem aktuellen Buch „The Rebell Sell“.

Ausgerechnet der ambitionierte Katalog einer Kunstausstellung zum Thema Culture Jamming , die bis Ende Juni im Lentos Museum in Linz zu sehen war, hat sich gerade als einer der schlagendsten Beweise für diese schleichende Verwandlung von Kritik in Style entpuppt: Auf 250 Seiten Text, in Totenkopfform gestanzt, haben die Kuratoren der Schau „Justdoit“ (SZ vom 2. März) aus einer Vielzahl nicht genannter Quellen ein Pamphlet für das freie Kopieren und Manipulieren fremder Inhalte zusammengestellt. Ganz im Sinne der Ausstellung, die einen Rückblick auf subversive ästhetische Strategien des 20. Jahrhunderts bot.

Nun wird massive Kritik am Vorgehen der Kuratoren laut. Auf der Mailingliste „Rohrpost“ formieren sich ausgerechnet jene Autoren gegen das Linzer Museum, die dem Katalog ihre Grundlagentexte zur Jamming ­Theorie lieferten. Der Vorwurf: Die Veröffentlichung verletzte in eklatanter Weise das Urheberrecht. Nicht einmal bei Vertretern der so genannten „Open Content“ ­Bewegung, die die Möglichkeit der kostenfreien Weiterverwertung von Texten propagiert, sei das wilde Zusammensamplen anonymisierter Texte vorgesehen.

Im Gegenteil, so schreibt der Medienwissenschaftler Florian Cramer, dessen Aufsatz Freie Software ungefragt als Katalogtext übernommen wurde, in einem offenen Brief an das Museum: Gerade bei der kostenfreien Weiterverwertung sei die Nennung des Autorennamens eine der wichtigsten Regeln. Bezeichnenderweise steht all dies auch in Cramers geklautem Text im Justdoit ­Katalog. „So drängt sich der Eindruck auf, dass der Text, weil er ja irgendwie zu Ihrem Thema passt und Freie Software/Open Source irgendwie hip und zeichensubversiv sind,… ohne Sinn und Verstand ins Buch integriert wurde.“

Die Kuratoren hätten die Technik des Culture Jamming zur Ausbeutung fremder Arbeit missbraucht, schreibt die ebenfalls beklaute Autorin Inke Arns. So sind die Jammer selbst zum Opfer eines Jams geworden, der sich wie die AntiWerbung von Kunstaktivisten an keinerlei Regeln hält. Die Störung von Marken geht hierbei auf das Konto der bösen, weil aus kommerziellen Interessen handelnden Kuratoren, und nicht der guten honorigen Verfechter freier Inhalte.

Diese, so die wahre Logik des Jammens, kämpfen eben nicht gegen die Allmacht der Marken, sondern eher um die Verteidigung des persönlichen Labels gegen die Konkurrenz: um den eigenen Namen.

Erschienen in Süddeutsche Zeitung am 15. Juli 2005.