Glückwunsch, dass Sie abgelehnt wurden

19.11.2014

Filme drehen, über die jeder spricht, mit bekannten Schauspielern arbeiten, auf Festivals in aller Welt gefeiert werden – Filmregie ist ein Traumjob. Entsprechend begehrt sind auch die Plätze an den deutschen Filmschulen.

2011 reichte David Wnendt, ein Student des Studiengangs Regie der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in Potsdam-Babelsberg, seine Diplomarbeit mit dem Titel Auf und Davon ein. Er stellt sich darin eine einfache Frage: Welche Chancen hat man wirklich, dauerhaft im Beruf des Regisseurs zu arbeiten und von dieser Arbeit zu leben? Wnendt nahm sich zehn Abschlussjahrgänge vor und sammelte Hinweise auf die berufliche Tätigkeit der Absolventen. Das Ergebnis, so schreibt er, hat ihn überrascht. Immerhin 60 Prozent der Alumni seien nach dem Studium aktiv als Regisseurin oder Regisseur tätig. Weit mehr, als er zu Beginn seiner Recherche vermutet hatte.

Mittlerweile gehört David Wnendt selbst zu diesen 60 Prozent. Allerdings wiederum zu den wenigen, die wirklich große Erfolge feiern. 2012 gewann der junge Regisseur mit seinem Abschlussfilm Kriegerin so gut wie alle wichtigen Preise der Branche. Seine Verfilmung des Bestsellers Feuchtgebiete (2013) sah eine Million Menschen. Sein Regiestudium, so sagt er in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit, hat daran sicher einen großen Anteil. „Die Ausbildung ist sehr praxisorientiert. Wir sind während des Studiums jede Woche rausgegangen und haben Filme gemacht. Da lernt man nicht nur das Handwerk, sondern auch, mit der Kritik der Professoren, mit Konkurrenzkämpfen und mit Schwierigkeiten bei den Dreharbeiten umzugehen.“

Keine Garantie auf Karriere

Die Studienplätze an der HFF Potsdam, die im Juli 2014 in den Status einer Universität erhoben wurde, sind begehrt. „Es ist immer wieder eine Herausforderung, unter mehr als 200 Bewerbern am Ende acht bis zehn Studenten auszuwählen“, sagt die Regisseurin Marie Wilke. Wilke war zehn Jahre lang künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang Regie an der HFF. „Wichtig ist, zu verstehen, dass wir nach dem künstlerisch-kreativen Potenzial des Bewerbers suchen und uns nicht nach den Kriterien eines sogenannten Marktes richten.“

Die Anforderungen an Regiestudenten sind von Anfang an sehr hoch. Kreativität, Durchsetzungs- und Einfühlungsvermögen sind Grundvoraussetzungen. Gleichzeitig müssen Regisseure lernen, mit oftmals harter Kritik umzugehen. So etwas wie eine Garantie, dass die aufgenommenen Talente sich am Ende auch in der Filmbranche durchsetzen, gebe es allerdings nicht, betont Wilke. „Das Studium ist nur ein Baustein in einer möglichen Karriere als Regisseur.“

Staatlich, privat oder selbstorganisiert

Ähnlich renommiert und beliebt wie die Filmuniversität Babelsberg sind die Hochschule für Fernsehen und Film München und die Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Die drei Institute gelten als die Top-Adressen für angehende Regisseurinnen und Regisseure. Im Studium selbst stehen dann je nach Hochschule unterschiedliche Aspekte im Vordergrund. Während die Filmakademien in Potsdam und München besonderen Wert auf Kreativität und experimentelles Filmen legen, setzen die Ludwigsburger stärker auf Praxis- und Marktorientierung.

Inhalte aus Bereichen wie Schauspielführung, Bildgestaltung, Produktionskunde, Dramaturgie und Stoffentwicklung sind feste Bestandteile auf dem Stundenplan jedes Regiestudenten. An allen Hochschulen ist es außerdem üblich, dass externe Dozenten aus der Filmszene Lehrveranstaltungen und Vorträge halten.

Eine gute Alternative zu Babelsberg, München oder Ludwigsburg bieten die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), die Hamburg Media School (HMS) und die Internationale Filmschule (ifs) Köln. Hinzu kommt eine ganze Reihe privater Filmschulen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Eine Besonderheit stellt die Film-Arche in Berlin dar. Die selbstorganisierte Filmschule verbindet auf autodidaktischer Basis Lehren und Lernen. Finanziert wird sie ausschließlich aus den Beiträgen der Mitglieder des gemeinnützigen Vereins. Regelmäßig werden auch hier bekannte Regisseure, zum Beispiel Andreas Dresen, als Dozenten engagiert.

Hohes internationales Ansehen

Das hohe Niveau an den renommierten Instituten und die Vielfalt der Alternativen machen die Regieausbildung in Deutschland zu einer der hochwertigsten weltweit. „Im internationalen Vergleich ist die Qualität der Regieausbildung an den Hochschulen sicher sehr gut und es wird ein hoher Wert auf künstlerische Freiheit gelegt“, so Marie Wilke. Dennoch gibt es einen Trend, der dazu führen könnte, dass man gerade diesen Vorteil wieder verspielt. „Immer mehr Schulen versuchen, marktkonform auszubilden, um den Studenten später den Einstieg in die Branche zu erleichtern.“ Auch hätten immer mehr Studenten Zukunftsangst und versuchten, sich möglichst früh an den Bedürfnissen des Marktes zu orientieren. „Das alles geht auf Kosten der Experimentierfreudigkeit.“

Dabei bleibt die Frage, welche Rolle die Ausbildung bei der Entdeckung und Ausformung eines Talentes spielt, letztlich schwierig zu beantworten. Bis 2005 erhielten abgelehnte Bewerber in Babelsberg zusätzlich zum Ablehnungsbescheid bisweilen auch einen Gratulationsbrief. Sie könnten sich glücklich schätzen, so hieß es darin, abgelehnt worden zu sein. Die besten Regisseure hätten es sowieso ohne Filmschule geschafft. Unterzeichnet war das Schreiben von Rosa von Praunheim. Praunheim, der bis 2005 Professor für Regie in Babelsberg war, musste es wohl wissen. Er ist einer der berühmtesten Avantgarde-Regisseure Deutschlands. Eine Filmschule hat er nie besucht.

Erschienen auf www.goethe.de im November 2014.

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November 2014