Von Betriebswirtschaft bis Eventkultur

23.09.2011

Die Anforderungen an Führungskräfte werden immer komplexer. Verband und Institutionen kümmern sich um Aus- und Weiterbildung

Unter Ökonomen wie Soziologen gilt der Einzelhandel, insbesondere in seiner speziellen Form großer Einkaufszentren, schon seit Langem als einer der wichtigsten strukturprägenden Merkmale moderner Stadtplanung. „Shoppingcenter sind heute moderne Marktplätze in den Städten“, sagt Rüdiger Pleus, Beauftragter des Vorstandes des German Council of Shopping Centers (GCSC). „Der Besucher empfindet die Einrichtungen zunehmend als Plätze, an denen er soziale Kontakte pflegen und knüpfen kann.“ In sozialen Netzwerken wie Xing, Facebook und Twitter spielen Shoppingcenter längst eine wichtige Rolle. Auch deshalb haben sich in den vergangenen Jahren die Anforderungen an Führungskräfte der Branche massiv verändert.

Nach Angaben von Pleus ist es deshalb extrem wichtig, künftige Führungskräfte der Branche noch umfassender auf ihre Aufgaben vorzubereiten. „Die Handelsimmobilienwirtschaft hat sich in den letzten Jahren zu einem äußerst komplexen Berufsfeld entwickelt“, erklärt Pleus. Im Gegensatz zu einer Büroimmobilie habe man es mit einem Objekt zu tun, das einem ständigen Wandel unterliegt und ständig neu veränderten Bedingungen angepasst werden muss. Komplexes juristisches Fachwissen zum Thema Mietrecht und fundiertes Wissen um die neuesten technologischen Entwicklungen sind nur zwei Aspekte des Anforderungsprofils, dem moderne Center-Manager mittlerweile genügen sollen. „Man muss ja nicht nur betriebswirtschaftliches und juristisches Basiswissen haben. Es geht ja auch um Fragen nach dem richtigen Mietermix, nach dem jeweils richtigen Standort und die effiziente Abstimmung des Hauses auf die Kundschaft. Das sind definitiv Fähigkeiten, die man nur in speziell entwickelten Ausbildungsprogrammen vermittelt bekommen kann“, so Pleus.

Und in genau dieser Vermittlerrolle sieht sich der GCSC. Neben fachspezifischen Foren zum Center-Management, zu rechtlichen und Projektentwicklungsfragen sowie Themen wie Nachhaltigkeit und technische Entwicklungen bietet der Interessenverband eine Reihe von Trainingsprogrammen, die einen Blick weit über den Tellerrand betriebswirtschaftlichen Basiswissens ermöglichen. Zweimal im Jahr werden im Rahmen einer „German Council Academy“ Top-Referenten geladen, die die Teilnehmer auch in Bereichen wie Persönlichkeitsentwicklung und Körpersprache trainieren. Erst kürzlich hatte man Jens Weidner von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg gebucht, um Erkenntnisse aus dem Bereich der Anti-Aggressions-Forschung für angehende Center-Manager nutzbar zu machen. Darüber hinaus haben jedes Jahr etwa zwölf junge German-Council-Mitglieder die Möglichkeit, an einer einwöchigen Fortbildung teilzunehmen, die der International Council for Shopping Centers (ICSC) in Brüssel abhält.

Zur Nachwuchsförderung beim GCSC gehört aber auch die Chance, an einem speziellen Netzwerk für Studenten und Berufsanfänger teilnehmen zu können. Wer unter 35 Jahre alt ist, hat für einen überschaubaren Jahresbeitrag Zugang zu allen Veranstaltungen und kann zudem am sogenannten „Moving Breakfast“ teilnehmen, einer speziellen Gesprächsrunde unter sieben Berufseinsteigern und erfahrenen Managern, die nach dem Konzept des „Speed Ratings“ entwickelt wurde. „Ein Junior und ein Senior sitzen sich jeweils kurze Zeit gegenüber. Dann wird gewechselt“, sagt Pleus. Mittlerweile ergeben sich aus diesen Schnell-Gesprächen nicht selten dauerhafte Arbeitsverhältnisse.

Eine weitere wichtige Säule des GCSC-Förderprogramms ist die enge Kooperation mit Universitäten, an denen nach wie vor die Grundlagen für eine solide Ausbildung im Fachbereich Immobilienwirtschaft gelegt werden. So wurde im Fachbereich Stadtentwicklung und Bauwesen der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig mithilfe des GCSC in den vergangenen zehn Jahren ein umfangreicher Fundus von Literatur zum Thema Handel und Stadtentwicklung aufgebaut. „Mir ist eigentlich keine größere Fachbibliothek in diesem Bereich bekannt“, schwärmt Johannes Ringel, Professor für Stadtentwicklung in Leipzig. Entscheidend an der Bibliothek, so Ringel, seien die Synergieeffekte zwischen den Studierenden und Mitgliedern des GCSC. Auf diese Weise ergebe sich eine Möglichkeit des Erfahrungsaustausches, der der Qualität der Ausbildung zugutekommt. „Man muss den Verband wirklich loben. Es ist vorbildlich, was hier für den Nachwuchs getan wird.“

Auch mit der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Regensburg ist die GCSC eng vernetzt. Für Karl-Werner Schulte, Honorarprofessor an der IREBS International Real Estate Business School in Regensburg, ist die enge Kooperation notwendig, um die hohe Qualität der Ausbildung zu gewährleisten. „Handelsimmobilien sind äußerst komplex“, so Schulte. „Neben betriebswirtschaftlichen Standards wie Immobilienrecht wollen wir vor allem Aspekte der architektonischen Gestaltung und der Auswirkungen von Centern auf die Stadtentwicklung vermitteln.“

Eine hohe Qualität in der Ausbildung kann auch aus einem anderen Grund wichtig sein, wie man es an der Uni Leipzig sehen kann. „Es geht uns letztlich auch um das Bündeln von städteplanerischem Know-how“, so Johannes Ringel. Wissen, das das Leipziger Institut u. a. bei der Beratung der in der Stadt gerade entstehenden Center Höfe am Brühl einsetzt. Denn das Bauvorhaben ist mit 44 400 Quadratmeter Handelsfläche und innovativem Konzept ein Mammutprojekt. In fünf Themenbereichen mit jeweils eigener Raumgestaltung und speziellem Rahmenprogramm will man der zunehmenden Individualisierung der Kunden Rechnung tragen. Die Leipziger Erfahrungen spielen natürlich bei den Managerschulungen eine Rolle. Wie auch weltweite Entwicklungen, denn immer mehr Menschen zieht es in die urbanen Ballungsräume. Laut Prognosen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 rund zwei Drittel aller Menschen in Metropolen leben. Auch darauf müssen Führungskräfte vorbereiten werden, sind doch die deutschen Unternehmen weltweit aktiv und brauchen Nachwuchs auch für internationale Einsätze.

Erschienen in Die Welt am 23. September 2011.