Von Wissenstransfer und Ausgründungen

22.09.2012

In Adlershof befindet sich Deutschlands größter Technologiepark. Durch seine technischen Innovativen hat er internationalen Rang

Die kleine Berliner Firma Sglux Solgel Technologies ist ein Spezialist für UV-Licht-Messinstrumente. 2005 wurde bekannt, dass ein Konkurrent aus den USA besondere Photodioden nicht mehr herstellt, mit denen man ultraviolette Strahlung sehr genau messen kann. Kurzerhand beschloss das Unternehmen, die Bauteile selbst zu produzieren und begab sich auf die Suche nach Partnern aus der Forschung. Sglux-Geschäftsführer Tilmann Weiss erinnert sich: „Ein Kollege hat uns dann überzeugt, dass es nicht unbedingt notwendig ist, im Ausland nach Wissenschaftlern zu suchen, sondern dass auch regional exzellente Partner zur Verfügung stehen. Und so sind wir dann nach Adlershof gekommen.“

Schon seit Jahren wirkt der Technologiepark Adlershof im Südosten Berlins wie ein riesiger Katalysator für die Wirtschaftskraft der Metropole. Über 900 Unternehmen haben sich dort um einen Kern aus sechs Instituten der Humboldt-Universität zu Berlin – dem sogenannten „Science Campus“ – sowie elf außeruniversitären Forschungseinrichtungen, zu einem leistungsstarken Cluster gruppiert. Im Zentrum steht der erfolgreiche Wissenstransfer zwischen Forschung und Industrie. „Uns ging es vor allem darum, ein Umfeld zu schaffen, das ein schnelles und betreutes Ausgründen von Firmen aus dem wissenschaftlichen Kontext ermöglicht“, erklärt Peter Strunk, Bereichsleiter für Kommunikation der Betreibergesellschaft Wista-Management GmbH.

Typische Adressaten der Standortentwickler sind aber auch Mittelständler wie Sglux, die mit einer soliden Produktidee den Zugang zu exzellenter Forschung suchen. So fanden Firmenchef Weiss und sein Team im Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) und dem Ferdinand-Braun-Instituts für Höchstfrequenztechnik (FBH) zwei motivierte Partner vor Ort, mit denen es 2008 gelang, die weltweit leistungsfähigsten Photodioden zur Messung von UV-Licht zu entwickeln. „Der Wissenstransfer von Forschung zu Industrie hat hier wirklich sehr gut funktioniert“, bestätigt IKZ-Direktor Roberto Fornari.

Auch große Konzerne sind schon seit Jahren in Adlershof präsent. Seit 2002 produziert die Jenoptik Diode Lab, eine Ausgründung aus dem Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), vor Ort. Erst kürzlich wurde eine neue Fertigungshalle für die Sparte Laser & Materialbearbeitung eröffnet. Ab 2013 werden dort sogenannte Laserbarren hergestellt, die als Grundmaterial für Hochleistungsdiodenlaser dienen. „Ausschlaggebend für den Standort waren die räumliche Nähe zum Wissenschaftspartner FBH sowie die guten Möglichkeiten, die Produktion bei Bedarf zu erweitern“, sagt Michael Mertin, Vorstandsvorsitzender der Jenoptik AG.

Während im Falle von außeruniversitären Instituten wie dem IKZ und dem FBH der Wissenstransfer zwischen Forschung und Industrie schon recht gut zu funktionieren scheint, sieht man beim rein universitären Science Campus der Humboldt-Universität noch deutlichen Nachholbedarf. „Wir können zwar auf viele erfolgreiche Spin-offs aus dem universitären Kontext verweisen. Bei der direkten Zusammenarbeit mit Unternehmen hapert es aber noch“, sagt Peter Frensch, Vizepräsident für Forschung der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit speziellen projektbezogenen Einrichtungen, sogenannten „Joint Labs“, versuche man aber seit einiger Zeit gezielt, Uni-Institute und Unternehmen an einen Tisch zu bringen.

Ein Ziel, das auch das Helmholtz-Zentrum Berlin verfolgte, als es vor drei Jahren in Adlershof das Kompetenzzentrum Dünnschicht- und Nanotechnologie für Photovoltaik Berlin (PVcomB) gründete. „Wir verstehen uns als Entwicklungsplattform, die Wissenschaft und Wirtschaft verbindet“, sagt Direktor Rutger Schlatmann. Während sich die Grundlagenforschung in der Photovoltaik oft auf nur einen einzigen Prozessschritt konzentriert, kann Schlatmanns Institut eine komplette Produktionslinie im Miniformat abbilden. So können Firmen sehr schnell neue Forschungsergebnisse in ihre Fertigung integrieren.

Die besondere Stärke des Technologieparks Adlershof liegt nach wie vor im klassischen Spin-off, also der Ausgründung eines Wissenschaftlerteams als Wirtschaftsunternehmen. Will ein Student sich selbstständig machen, wird er zunächst beraten und erhält, falls sich die Geschäftsidee als förderungswürdig herausstellt, einen Platz in einem sogenannten Gründerzentrum. Nach einer Frist von vier Jahren kommt die Option auf Räume in einem Technologiezentrum hinzu. Sechs dieser Zentren gibt es schon auf dem Park-Gelände, ein Siebtes ist gerade im Bau. „Viele unserer jungen Unternehmen sind hochspezialisiert, oft Weltmarktführer in ihrer Branche, und haben einen hohen Investitionsbedarf. Die Technologiezentren geben ihnen die Infrastruktur, die sie brauchen, um sich zu entwickeln“, sagt Peter Strunk von der Wista-Management GmbH.

Strunk glaubt auch, dass sich das Modell Adlershof berlinweit durchsetzen wird, um auch andere Standorte ökonomisch aufzuwerten: „Wir sehen auf der ganzen Welt, dass sich Technologieparks immer an jenen Orten erfolgreich ansiedeln, die einen massiven Strukturwandel durchlaufen haben.“ Das sich dynamisch verändernde Berlin, mit seinen auf die ganze Stadt verteilten, erstklassigen Forschungsinstituten, sei geradezu prädestiniert für mehrere derartige Forschungs-Industrie-Cluster. „Mit dem Campus der Technischen Universität in Charlottenburg und dem Ende 2013 stillgelegten Flughafen Tegel stehen Zukunftsorte zur Verfügung“, sagt Strunk.

Erschienen in Die Welt am 22. September 2012