DAAD – Wie die Wissenschaft zu den Menschen kommt

20.06.2018

Seit Januar 2018 fördern Bund und Länder den Wissenstransfer kleiner und mittlerer Hochschulen mit der Initiative „Innovative Hochschule“. Die ersten Reaktionen fallen positiv aus.

Professor Christian Spannagel ist Prorektor für Forschung, Medien und IT an der PH Heidelberg, die, so sagt er selbst, wie alle Pädagogischen Hochschulen vor allem als „Ausbildungsstätte für Lehrerinnen und Lehrer“ wahrgenommen werde. „Dabei haben wir durchaus einen Forschungsauftrag. Und die Erkennt­ nisse, die wir aus der Forschung gewinnen, sind weit über den schulischen Kontext hinaus von Bedeutung.” So könnten bildungswissenschaftliche Innovationen einen potenziellen Nutzen für die Personalentwick­ lungsabteilungen von Unternehmen haben oder außerschulische Bildungseinrichtungen wie Volks­ hochschulen, Nachhilfeinstitute und Kultureinrich­ tungen dabei unterstützen, ihrem Bildungsauftrag nachzukommen.

Leider funktionierte dieser Wissenstransfer in die Gesellschaft lange Zeit nur mäßig gut, so Spannagel. „Unser Problem war, dass wir eigentlich kaum als Ex­ perte für Bildungsfragen wahrgenommen wurden.“ Und das, obwohl es bei dem Thema Bildung, bei dem jeder sofort eine Meinung zu haben scheine, extrem wichtig sei, eine wissenschaftliche Perspektive ein­ zubringen. „Gerade das sollte ja neben der Lehre eine unserer Kernkompetenzen als Hochschule sein.“

Dies genau hat die Politik erkannt. Deshalb wird die PH Heidelberg seit Januar 2018 im Rahmen eines neuen Förderprogramms speziell darin unterstützt, sich mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft zu vernet­ zen und bildungswissenschaftliche Innovationen bes­ ser nutzbar zu machen. „Innovative Hochschule“ nennt sich diese von Bund und Ländern im Sommer 2016 beschlossene Förderinitiative. 550 Millionen Euro kommen in zwei Fünf­Jahres­Runden vor allem klei­ neren und mittleren Hochschulen, insbesondere Hoch­ schulen für angewandte Wissenschaften, zugute.

„Ziel ist es, die Verankerung der Hochschulen in ihrer Region zu stärken und den wechselseitigen Transfer von Wissen und Ideen zwischen Hochschu­ len, Gesellschaft und Wirtschaft zu beschleunigen, damit daraus technologische und gesellschaftliche In­ novationen entstehen können“, so Rebekka Kötting, Pressesprecherin der Gemeinsamen Wissenschafts­ konferenz (GWK). In die erste Förderrunde haben es 48 Hochschulen (36 Hochschulen für angewandte Wissenschaften, neun Universitäten, zwei Pädagogi­ sche Hochschulen, eine Musikhochschule) mit 19 Ein­ zel­ und zehn Verbundvorhaben geschafft.

In Heidelberg konnte man rund 5 Millionen Euro Fördervolumen für den Aufbau eines Transferzent­ rums nutzen, das unter anderem Projekte in interkultu­reller Bildung, Prävention und Gesundheitsförde­ rung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und MINT­Bildung koordiniert. „Es geht vor allem darum, unser schon bestehendes Netzwerk zu Akteuren aus der Region weiter zu optimieren“, so Christian Spannagel.

Ganz ähnlich äußert sich auch die Hochschule für angewandte Wissenschaften Anhalt. Sie wird mit 8,4 Millionen Euro bei ihrem Projekt FORZA – For­ schungs­ und Technologietransfer für das Leben im Digitalen Zeitalter unterstützt. Projektleiter Jan­ Henryk Richter­Listewnik betont die hohe Bedeutung des Wissenstransfers für die Hochschule. „Der Schwer­ punkt war schon immer anwendungsbezogene For­ schung, mit einem guten Kontakt zu Unternehmen aus der Region.“ Nun soll es darum gehen, diese Strategie weiter voranzutreiben. Dazu werde man im Laufe des Jahres einen Verein gründen, das Innovationsbündnis Anhalt. „Im Augenblick sind bereits 40 Organisationen aktiv daran interessiert: Umweltverbände, Handels­ kammern, Unternehmen, Politiker und Privatperso­ nen“, so Richter­Listewnik. Ziel sei es, über den Aus­ tausch mit externen Partnern neue Forschungsprojekte zu generieren. Ein Schwerpunkt der Hochschule liegt in den Life Sciences, speziell mit Blick auf die Digitalisie­ rung. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, landwirtschaft­ liche Betriebe in der Region im Bereich neuer Digital­ technik zu unterstützen“, erklärt Richter­Listewnik.

Für Sandra Speer, die für die Hochschule RheinMain in Wiesbaden ein über die „Innovative Hochschule“ gefördertes Projekt koordiniert, kam die Initiative ge­ rade zur rechten Zeit. Aus ihrer Sicht haben sich an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften in den vergangenen Jahren das Verständnis und die Erwar­ tung verändert: „Die Forschung spielt eine stärkere Rolle. Da ist es eigentlich die logische Schlussfolge­ rung, auch den Bereich Transfer weiter voranzubrin­ gen.“ Mit dem mit 6,1 Millionen Euro geförderten Pro­ jekt IMPACT RheinMain legt die Hochschule den Fokus auf die Themen Smart Energy, Smart Home und Smart Mobility. „Wir wollen unsere Forschung zu Dialogfor­ maten mit der Gesellschaft teilen“, so Speer. Etabliert wurde hierfür unter anderem eine Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frank­ furt am Main. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Politik baut die Hochschule mit weiteren spezifi­ schen Austauschformaten systematisch aus.

Neben Einzeluniversitäten fördert die „Innovative Hochschule“ auch Verbundprojekte. Ein Beispiel dafür ist TRIO, das für „Transfer und Innovation Ostbayern“ steht, sechs Hochschulen und Universitäten aus der Region umfasst und 14 Millionen Euro Unterstützung erhält. Für den wissenschaftlichen Projektleiter, Professor Burkhard Freitag von der Universität Passau, ist das Ziel des Projektes vor allem, die Qualität des Transfers zu optimieren. „Wir wollen unsere Transfer­prozesse vereinheitlichen und die Kontaktmöglichkei­ten für Unternehmen verbessern. Den eigentlichen Wis­senstransfer betreiben wir ja schon seit Langem, aber bisher eben noch unkoordiniert.“ Ziel sei es, schon im Vorfeld möglicher Kooperationen in einen Dialog mit unterschiedlichen Akteuren zu treten. „Wir haben 30 neue Mitarbeiter eingestellt. Diese widmen sich der ver­ besserten Wissenschaftskommunikation, Bedarfsana­lysen bei den Unternehmen, Forschungsscouting an den Hochschulen, der Erprobung von Innovationslabo­ren und der Standardisierung von Rahmenbedingun­gen für Transfer“, so Freitag.

Die Erfolge der Förderinitiative werden sich in den nächsten Jahren zeigen. Aus bildungspolitischer Sicht ergibt sie aber in jedem Fall Sinn, wie zum Beispiel der Journalist und Bildungsexperte Jan­Martin Wiarda bestätigt. „Die ,Innovative Hochschule‘ ist ja als Ergän­ zung zur Exzellenzinitiative und ihrem Nachfolger Exzellenzstrategie zu verstehen, um eben nicht nur große, global orientierte Universitäten, sondern auch die kleinen, regional verankerten Hochschulen zu un­ terstützen.“ Das sei zum Beispiel auch ein Grund dafür, dass der Aspekt Internationalisierung, anders als bei der Exzellenzinitiative und strategie, als Auswahlkri­ terium keine Rolle gespielt hat.

„Der Begriff ,Dritte Mission‘ wird im Augenblick sehr gehypt, aber das geht in Ordnung, denn in der Tat sollten wir einen breiteren Transferbegriff anstreben“, so Wiarda. „Wir müssen Brücken zwischen Wissen­ schaft und Gesellschaft bauen.“ Oder, wie es Bundes­ forschungsministerin Anja Karliczek bei der Auftakt­ veranstaltung der Förderinitiative Ende März in Berlin formulierte: „Es ist wichtig, dass die durch Wissen­ schaft und Forschung erzielten Innovationen bei den Menschen ankommen.“

Erschienen im Juni 2018 in LETTER 02/18, dem Alumnimagazin des DAAD.