Corporate Language – welche Sprache spricht ein deutsches Unternehmen?

28.10.2014

Der individuelle Sprachstil eines Unternehmens ist ein wichtiges Marketinginstrument. Welche Bedeutung hat dabei die deutsche Sprache – auch im Hinblick auf die Internationalisierung der Kommunikation? Ein Gespräch mit Armin Reins, Geschäftsführer der Agentur Reinsclassen.

Herr Reins, Sie entwickeln mit Ihrer Agentur schon seit Jahren Corporate Language-Konzepte für große Firmen. Wie gehen Sie vor?

Zunächst ist es entscheidend, die Markenwerte des Unternehmens zu definieren: Wofür steht das Gebilde, das da sprechen soll? Es geht darum, auch in schriftlicher Kommunikation Markeninhalte sinnlich erlebbar zu machen. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen die Beziehung zu seinen Kunden gerne als Partnerschaft definieren möchte, müsste man sich im nächsten Schritt fragen: Wie spricht ein Mensch, der Partner sein will? Daraus ergeben sich dann Leitlinien für Sprachstil, Tonalität und Wortwahl.

Wie muss man sich solche Leitlinien konkret vorstellen? Bedeutet das, dass man Wortlisten anlegt, mit erlaubten und nicht erlaubten Begriffen?

Es geht nicht um Wortlisten, sondern um Formulierungsbeispiele. Man versucht zum Beispiel zu definieren: Sind wir humorvoll oder ernst, duzen wir oder siezen wir, sprechen wir Englisch oder nicht? Treten wir als Partner, Freund oder eher als Experte auf? Gibt es Wörter, die zu uns bereits gehören? Bei BMW wäre das zum Beispiel das Wort „Freude“. Nivea wird mit „Pflege“ verbunden. Audi steht für „Technik“. Ein typischer Porsche-Begriff ist „Fahrdynamik“ nicht „Fahrspaß“, das gehört wiederum zu BMW.

Prozess der Internationalisierung

Welche Auswirkungen hat die Entscheidung für oder gegen Deutsch als Corporate Language auf die Belegschaft und den Wert der Marke?

Eine ganz entscheidende. Gerade der deutsche Mittelstand befindet sich in einem Prozess der Internationalisierung. Viele Firmen zählen zu den Weltmarktführern in ihren Branchen oder haben das Potenzial, in der Liga der Weltmarktführer mitzuspielen. Wenn man in anderen Märkten erfolgreich sein will, muss man sich natürlich auch überlegen, welchen Einfluss die Sprache in der Wahrnehmung der eigenen Marke hat.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Gerne. Wir beraten die Firma Sick aus Waldkirch bei Freiburg. Das Unternehmen zählt weltweit zu den führenden Herstellern von Sensoren. Sick hat den Anspruch, Weltmarktführer zu werden und möchte sich entsprechend erfolgreich auch in anderen Märken präsentieren. Sie können sich vorstellen, dass der deutsche Firmenname in englischsprachigen Märkten zu Irritationen führen kann (sick=engl. krank; Anm. der Red.). Also haben wir ein Konzept erarbeitet, das sich genau dies zunutze macht.

Was war Ihre Idee?

Wir haben uns erst einmal an die Marke herangetastet und gemeinsam mit der Geschäftsführung an der Corporate Identity des Unternehmens gefeilt. Die Firma Sick, so das Ergebnis unserer Überlegungen, steht für deutsches Tüftlertum in seiner extremen Ausprägung: Ein Sick-Ingenieur ist ein Tüftler, ein Wahnsinniger, jemand, der vielleicht tatsächlich „krank“ wird, wenn er ein Problem nicht lösen kann. Wir haben dem Unternehmen geraten, sich zu dem Wort „sick“ zu bekennen. Die Idee ist, in der Kampagne ist, verrückt klingende Behauptungen zu den Produkten der Firma aufzustellen und diese dann durch den englischen Claim „This is sick“ (das ist krank) aufzulösen.

Dynamischer Austausch zwischen allen Sprachen der Welt

Die Firmen stehen also unter Druck, sich in ihrer Kommunikation zu internationalisieren?

Ja, wobei ich es eigentlich langweilig finde, hier nur immer wieder auf die Anpassung des Deutschen an das Englische zu verweisen, mit all den Ausformungen an verquerem Business-Deutsch, über die wir uns, oft zu Recht, aufregen. Wenn man genauer hinschaut, haben wir es längst mit einer Situation zu tun, in der ein dynamischer Austausch zwischen vielen Sprachen der Welt stattfindet. Abgesehen davon bekennen sich ja viele große Unternehmen ganz bewusst zu Deutsch in der internationalen Markenkommunikation. Porsche hat erst kürzlich entschieden, bestimmte technische Begriffe nicht mehr zu übersetzen.

Ist das ein gutes Zeichen für die Zukunft der deutschen Fachsprache?

Absolut. Wie wir wissen, gibt es bestimmte Branchen, die von einer Sprache dominiert werden. Wie das Lateinische im Bereich Medizin oder das Französische unter Weinexperten. Nun scheint es so zu sein, dass Branchen wie der Maschinenbau mehr und mehr dazu übergehen, deutsche Begriffe international einzusetzen. Vor allem auch deshalb, weil sie sich nur sehr schwer übersetzten lassen. Oder sie haben eben ein entsprechendes internationales Standing: VW verkauft überall auf der Welt „das Auto“.

Wie sehen Sie die Zukunft des Deutschen als internationale Unternehmenssprache? Wird sich die deutsche Sprache durch internationale Corporate-Language-Strategien verändern?

Als internationale Unternehmenssprache sehe ich das Deutsche nicht. Was wir aber erleben werden, ist eine zunehmende Internationalisierung der Sprache. Deutsche Begriffe werden in alle Welt expandieren, aber auch wir werden neue Begriffe aus Sprachen aufnehmen, die bislang noch keine Rolle in unserer Alltagskommunikation gespielt haben. Mich würde es nicht wundern, wenn wir bald ganz selbstverständlich chinesische Begriffe verwenden würden.

Erschienen auf www.goethe.de im Oktober 2014

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Oktober 2014