Die Gesellschaft bewege sich weg von Besitz und Eigentum – hin zum Teilen, meint Heinz-Paul Bonn, Vizepräsident des Bitkom und erklärt, was das für uns und unsere Wirtschaft bedeuten könnte
Die Welt: Herr Bonn, die vergangene CeBIT hatte das Schwerpunktthema Managing Trust. Kann man nach einem Jahr schon ein Resümee ziehen?
Heinz-Paul Bonn: Mit dem Leitthema „Managing Trust“, also der Frage, inwieweit Vertrauen eine wichtige Säule ist für unsere moderne, vernetzte Welt, und wie wir sie in Zukunft weiter pflegen können, hat die CeBIT wie so oft das Talent bewiesen, ein wichtiges Thema zur richtigen Zeit zu lancieren. Sie erinnern sich, vor gut einem Jahr begann eine intensive Diskussion um den Datenschutz. Es ist das dringende Bedürfnis entstanden, den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf eine solide Basis zu stellen. Das Messethema hat einen wichtigen Beitrag zum Dialog geleistet.
Die Welt: Was erwarten Sie sich für das aktuelle Leitthema Shareconomy?
Heinz-Paul Bonn: Shareconomy schließt nahtlos an das Vorjahresthema an. Wir erleben gerade, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft ganz grundlegend ändern: weg von Besitz und Eigentum, hin zum Teilen. Dabei geht es um weit mehr als das Teilen von Informationen, Bildern und Videoclips in sozialen Netzwerken. Auch Unternehmen öffnen sich und beteiligen Kunden und Partner in nie dagewesener Offenheit über das Internet an der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte. Ohne Vertrauen in die zugrundeliegende Technik ist das nicht machbar.
Die Welt: Wie würde eine solche Ökonomie des Teilens im Idealfall funktionieren?
Heinz-Paul Bonn: Interessante Projekte sprießen wie Pilze aus dem Boden. Etwa der Fashionfreak, der eine Webplattform für das Teilen hochwertiger Handtaschen aufbaut, oder die Trekking-Fans, die in Eigenregie online ein Zelt gestalten, das es auf dem Markt nicht gibt, es in China produzieren und einen eigenen Vertrieb aufbauen.
Die Welt: Fiat hat Kunden die Möglichkeit gegeben, sich aktiv an Produktionsprozessen zu beteiligen.
Heinz-Paul Bonn: Solche Open Innovation Plattformen sind extrem spannend und wahrscheinlich auch der richtige Weg, um auf die sich rapide verändernden Bedürfnisse der Konsumenten einzugehen. Passives Konsumieren gehört der Vergangenheit an. Die meisten Menschen wollen sich aktiv am gesellschaftlichen, politischen und auch wirtschaftlichen Geschehen beteiligen. Sie wollen gefragt werden – nicht nur nach ihrer Lieblingsfarbe für die Sitzbezüge. Die Unternehmen entdecken gerade dieses enorme Reservoir an Ideen, auch für die Produktentwicklung. Das Prinzip Geheimlabor ist für die meisten Firmen überholt.
Die Welt: Sie werden auf der diesjährigen CeBIT zum achten Mal den Gründerwettbewerb Innovators Pitch veranstalten. Wie beurteilen Sie die Situation bei deutschen Start-ups?
Heinz-Paul Bonn: Nicht nur in Berlin, München und Hamburg haben sich quirlige Start-up-Szenen entwickelt. Trotzdem: Wir haben, was den Standort Deutschland angeht, mit einer Reihe struktureller Nachteile zu kämpfen, insbesondere im Vergleich zu den USA. So ist der Internet-Markt der USA sechsmal größer als der deutsche. Zum anderen bestehen hierzulande immer noch gravierende Mängel im Bereich der Anschubfinanzierungen. Der Markt für Seed-Investments liegt hierzulande quasi brach. Für tolle Ideen und überzeugende Business Pläne bekommen sie in Deutschland kein Geld. Geld gibt es erst, wenn sie es faktisch schon geschafft haben.
Die Welt: Wie könnte man das ändern?
Heinz-Paul Bonn: Immer nur eine mangelnde Gründungskultur zu beklagen und von potenziellen Geldgebern mehr Risikobereitschaft einzufordern, bringt uns nicht weiter. Die Politik sollte Investoren, die zu sehr risikoreichen Investments in den frühen Unternehmensphasen bereit sind, steuerlich belohnen. Auch das Insolvenzrecht müsste angepasst werden. Gründer brauchen ein Recht auf eine zweite Chance, wenn es beim ersten Mal nicht klappt. Und in der Forschungsförderung müssen wir weg vom Prinzip Gießkanne. Hier müssten Mittel stärker konzentriert werden.
Die Welt: Lohnt hierbei ein Blick ins Ausland? Welche Impulse erwarten Sie sich von den CeBIT Global Conferences ?
Heinz-Paul Bonn: Bei den CeBIT Global Conferences treten Visionäre der internationalen IT-Elite auf die Bühne. Die CeBIT ist ja nicht nur eine Messe, auf der Firmen ihre Produkte vorstellen. Sie ist viel mehr ein riesiger Melting Pot. Fünf Tage lang treffen sich mehr als 300.000 Menschen – Unternehmer, Wissenschaftler, Politiker. 60 Ministerdelegationen aus dem In- und Ausland sind in diesem Jahr vertreten. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der sich in IT-Fragen bislang zurückgehalten hat, wird auf der Konferenz sprechen. Wir sind gespannt.
Erschienen in einer WELT Sonderbeilage zur CeBIT 2013.