Wie „schlau“ müssen Städte werden, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern? Internationale Besucher lernen deutsche Smart-City-Projekte kennen.
„Schnell, schnell, kommen Sie mal bitte hier herüber. Die sieht man noch nicht so häufig!“ An einem heißen Sommertag hat sich eine Gruppe internationaler Besucher am Berliner S-Bahnhof Südkreuz versammelt, um zu erfahren, wie Deutschland seine Städte smarter machen will. Smarter, das hatte Mauricio Rojas, Systemingenieur bei der Firma inno2grid eben noch erzählt, heiße zum Beispiel, den Stadtverkehr auf E-Mobilität umzustellen. Nun hält nur ein paar Meter entfernt ein gelber E-Bus der Berliner Verkehrsbetriebe. 200 solcher E-Busse sollen bis 2025 auf Berlins Straßen rollen. „Im Augenblick sind aber erst fünf unterwegs.“ Eine Besonderheit: Das Fahrzeug lädt sich kabellos auf, über eine Ladeplatte unter dem Asphalt. „Wie bei einer elektrischen Zahnbürste“, erklärt Rojas.
„Smart City“ – das ist auch für internationale Vorreiter wie Deutschland noch ein Experimentierfeld, das wird den Stadtplanern, Wissenschaftlern und Journalisten, die im Rahmen des Besucherprogramms der Bundesrepublik Deutschland eine Woche nach Berlin eingeladen sind, schnell klar. Und so geht es direkt nach dem Besuch des Bahnhofs Südkreuz weiter zum Campus des Europäischen Energieforums (EUREF).
Das 5,5 Hektar große Areal zählt zu den wichtigsten Referenzprojekten Deutschlands bei der Gestaltung der Stadt der Zukunft mithilfe technologischer Innovationen – ein beeindruckendes Labor für Smart-City-Visionen. Rund 100 Unternehmen und Institutionen mit insgesamt 2.000 Beschäftigten entwickeln dort unter anderem Lösungen für nachhaltige Energieversorgung, autonome Mobilität und digitale Vernetzung.
Autonomes Fahren: Der Wandel kommt ins Rollen
Auch gibt es wieder einen Bus zu bestaunen, diesmal deutlich kleiner als das Fahrzeug am Südkreuz, dafür aber voll mit modernster Technologie: Das Shuttle namens EasyMile findet seinen Weg autonom. Einsteigen könnten die Gäste im Augenblick leider nicht, bedauert Maximilian Power, der das Projekt für das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) betreut. Die Technik sei sehr sensibel, man müsse noch nachjustieren. Dafür sah man das Fahrzeug dann doch ein paar Mal testweise um die Ecke rollen. „Schnell ist es nicht“, gibt Power zu. „Die Geschwindigkeit liegt zwischen 10 und 20 Stundenkilometern. Aber schneller sind Sie in der Rush Hour in Berlin im Durchschnitt auch nicht unterwegs.“
Kleines Windrad mit großer Symbolkraft
Auch der gesellschaftliche Aspekt von Innovationen ist auf dem Campus präsent. Welche Leistung jenes kleine Windrad neben der Ladestation für Elektroautos denn habe, wollte Uriel Babczyk wissen, Stadtplaner aus Tel Aviv. Die verblüffende Antwort von Ingenieur Mauricio Rojas: „Vermutlich gerade genug, um eine Tasse Tee aufzuwärmen.“ Die Leistung der Windräder, erläutert Rojas, sei irrelevant. „Es geht darum, Besucher für unsere Ideen zu begeistern. Und dafür sind Windräder bestens geeignet.“
Dass das Konzept Smart City beinhaltet mehr als Energiemanagement und Elektromobilität, daran erinnert die IT Firma Cisco in einer beeindruckenden Präsentation der Möglichkeiten, die in der Vernetzung von Datenströmen stecken: „Abfall, Wasser, Elektrizität, Licht, Verkehr, Kriminalität – all diese Bereiche urbaner Infrastruktur sind im Augenblick in Silos organisiert. Wir können sie zusammenführen“, erklärt Marwin Kunz, Program Manager im Cisco-Innovationszentrum auf dem EUREF-Campus.
Die Gäste sind beeindruckt, wenngleich skeptisch hinsichtlich des Datenschutzes. Auch hier zeigt sich: Die Technik ist nicht die größte Herausforderung: Flavia Marzano, Stadtplanerin aus Rom, bringt es auf den Punkt: „Silos abbauen ist schön, aber noch wichtiger für mich ist, wie ich meine Kollegen davon überzeugen kann.“