Online buchen ist im Trend, doch Reisekataloge bleiben eine feste Größe
Für Reiseanbieter im Internet könnte 2011 ein goldenes Jahr werden. Bereits im Januar verzeichnete der Verband Internet Reisevertrieb e.V. (VIR) einen Anstieg bei touristischen Onlinebuchungen von über 40 Prozent. Damit setzt sich ein Trend fort, der schon im letzten Jahr absehbar war. Bereits in der Jahresanalyse 2010 des VIR stellte der Verband einen deutlichen Anstieg bei der Internet-Nutzung fest. Demnach sind fast 70 Prozent der Deutschen inzwischen online.
Dass immer mehr Menschen Reisen online buchen, hat vielfältige Gründe. Zum einen sind die Angebote der auf das Internetgeschäft spezialisierten Anbieter, der „OTAs“ (Online Travel Agencies), oftmals hochflexibel buchbar. Im Unterschied zu klassischen Reisebüros haben OTAs eine relativ große Menge an Veranstaltern im Angebot und können Reisepakete auf Anfrage auch kurzfristig modifizieren. „Wenn ich bei einem klassischen Veranstalter gebucht habe, der von Frankfurt aus fliegt, dann bin ich in der Regel darauf festgelegt. Online-Anbieter haben vielleicht dasselbe Hotel im Programm aber wesentlich mehr Flugkapazitäten und können Flüge auch in München chartern“, erklärt VIR-Vorstand Michael Buller.
Neben der höheren Flexibilität schätzen viele Online-Kunden auch die Möglichkeit, bei der Buchung zusätzliche Informationsquellen nutzen zu können. Auf fast allen Internet-Portalen sind bereits Foren eingebunden, in denen Nutzer Reiseangebote bewerten können. Wer zudem noch auf die Online-Fotodatenbank Flickr oder den interaktiven Stadtplan Google-Streetview zurückgreift, fühlt sich in der Regel optimal auf seine Reise vorbereitet. Für Buller ist die starke Nutzung sozialer Netzwerke auch Ausdruck einer nachhaltigen Veränderung des Konsumverhaltens. „Dadurch schwinden die Berührungsängste, und Einkäufe beziehungsweise Buchungen über das Internet werden mehr und mehr zur Normalität.“
Allerdings wäre es falsch, aus dem deutlichen Online-Trend einen gleichzeitigen Bedeutungsverlust klassischer Reiseangebote abzuleiten. Vielleicht am deutlichsten zu sehen ist das an der Rolle des wichtigsten Mediums der Offline-Welt, des Reisekatalogs, der, aller Internet-Konkurrenz zum Trotz, nach wie vor großes Ansehen genießt. „Kataloge sind fürs Reisen noch immer der Appetitmacher Nummer eins. Sie kosten uns Millionen, doch das Geld sind sie wert. Denn selbst Online-Bucher greifen gerne in Ruhe zur Broschüre, bevor sie buchen. Es sind die Kunden, die nach wie vor Papier wünschen“, sagt Tobias Jüngert, Bereichsleiter Unternehmenskommunikation bei der Rewe Touristik GmbH. Auch für Christian Evers, Leiter Marketing Thomas Cook AG, sind Kataloge nach wie vor zeitgemäß: „Sie bleiben unser wichtigstes und umfangreichstes Informationsinstrument.“
Auch der scheinbare Nachteil der Kataloge, die im Vergleich zu Online-Portalen eine wesentlich geringere Auswahl an Anbietern haben, erweist sich bei genauerer Betrachtung für viele Kunden als Vorteil. Interessante Angebote lassen sich schon mit wenigen Blicken herausfiltern. Tobias Jüngert: „Wer nur ein Bett, einen Flug oder eine Bahnfahrt sucht, braucht gewiss keinen Katalog. Wenn es aber um die komplette Reise geht, dann ist der Katalog aber für viele offenkundig nach wie vor erste Wahl. Das Land, das Hotel, die Ausflugsprogramme und alle Zusatzleistungen – in der Broschüre gibt es alles auf einen Blick, ohne langes Surfen.“ Hinzu kommt: Katalogangebote sind überaus verlässlich und gerade deshalb für Kunden, die aus beruflichen oder familiären Gründen vielleicht weniger flexibel sind, unverzichtbar.
Ein „besser“ oder „schlechter“ scheint es in der oft geführten Diskussion online versus offline bei Reiseanbietern nicht zu geben. Der Urlaub, so Jüngert, beginne eben nicht erst im Zug oder Flugzeug, sondern schon am heimischen Küchentisch. „Eine Reisebuchung geschieht selten ad hoc. Man schmökert auf dem Sofa, träumt von Sonne und Meer, tauscht sich mit der Familie aus – hierfür sind Kataloge nach wie vor ein fantastisches Medium.“ Auch wenn später vielleicht im Internet gebucht wird.
Erschienen in Die Welt am 06. März 2011.