Pornos im Code

22.07.2005

Hacker finden versteckte Sexszenen in „Grand Theft Auto“

Computerspielprogrammierer arbeiten manchmal wie Maler. Da hat man mit viel Mühe ein Bild auf jungfräulich weißes Leinen gezaubert, schleicht zwei Schritte zurück, kneift die Augen und merkt: Nein, das wars dann doch nicht. Greift also erneut zum Pinsel und übermalt den misslungenen Versuch durch eine harmonischere, abgeklärtere Version. Die dann, mit ein bisschen Glück, zum Verkaufsschlager wird.

Wie die neueste Version des Megasellers „Grand Theft Auto“ der US-Firma Rockstar Games. 21 Millionen mal hat sich das Spiel seit 2001 verkauft. „San Andreas“ heißt der neue Release des Ghetto-Schockers, bei dem man durch Rauben und Morden zum Gang-Boss aufsteigen kann. Doch „San Andreas“ ist nur die entschärfte Variante einer Urversion, die noch mit ergänzenden Sex-Szenen aufwartete. Statt die Pixel-Pornos aus dem Spiel zu löschen, wurde der Code nur deaktiviert, quasi übermalt. Genau das wird Rockstar Games jetzt zum Verhängnis.

Sogenannte „Modder“, Spiele-Fans mit Hacker-Know-How, hatten ein kleines Zusatzprogramm mit dem sprechenden Namen „Hot Coffee“ im Internet veröffentlicht, mit dessen Hilfe man die versteckten Szenen reaktivieren konnte. „Als ob man an der Leinwand schabt, um zu einer frühere Skizze vorzudringen“, wie Rodney Walker, ein Sprecher von Rockstar der New York Times sagte.

Für die Kritiker der Spielereihe, darunter einflussreiche Demokraten wie Hillary Clinton, brachte die durch den Code schimmernde Fratze der sexuellen Eindeutigkeit das Fass zum Überlaufen. Unter massivem politischen Druck verschärfte das Entertainment Software Rating Board, vergleichbar mit der deutschen USK, heute die Altersfreigabe für das Spiel von M (Mature) auf „Adult-Only“. Kommerziell gesehen ist das der Todesstoß. Die wichtigsten Handelspartner wie Wal-Mart und Target haben bereits angekündigt, das Spiel aus ihrem Sortiment zu nehmen. Erst nach Entfernen des „Hot Coffee Codes“ sei man wieder bereit, das Produkt zu verkaufen.

Entgegen den meist illegalen Basteleien von Hackern werden Zusatzprogramme (Mods) zum Modifizieren von Spielen nicht nur geduldet, sondern sind sogar ausdrücklich erwünscht. Firmen wie Rockstar pflegen seit Jahren den Kontakt zu Usern, die am Quellcode ihrer Games herumschrauben.

Das könnte sich jetzt ändern. Take-Two Interactive, der Besitzer von Rockstar Games, hat bereits rechtliche Schritte gegen jeden angedroht, der Werkzeuge zur Spielemodifikation anbietet. Ob das allerdings die Gamer von ihren Basteleien abhalten wird, ist eher fraglich. Und im übrigen hat sich der Kläger sein Problem ja selbst eingebrockt. Hätte man sauber programmiert, wären die verwerflichen Skizzen, wie so viele andere gemalte oder geschriebene auch, im Nirwana verschwunden.

Erschienen in Süddeutsche Zeitung am 22. Juli 2005.